
Prostatakrebs ist die häufigste Krebserkrankung bei Männern in Österreich – dennoch bestehen viele Unsicherheiten rund um das Thema Früherkennung. Besonders der PSA-Test, ein einfacher Bluttest zur Erkennung möglicher Veränderungen der Prostata, sorgt immer wieder für Diskussionen.
Im Interview geht Univ.-Prof. Dr. Shahrokh Shariat zehn weitverbreiteten Mythen rund um den PSA-Test und die Prostatakrebs-Früherkennung auf den Grund.
Antwort:
Unser Wissen über Prostatakrebs hat sich in den letzten 15 Jahren enorm weiterentwickelt.
Viele, auch Ärzt:in Ärzt:innen in der Primärversorgung kennen die aktuellen Empfehlungen zur
Früherkennung nicht oder verlassen sich auf veraltete Vorstellungen. Das führt zu Unsicherheiten und Fehleinschätzungen.
Antwort:
Der PSA-Test ist kein Schwarz-Weiß-Test. Viele Patienten sagen mir: „Mein PSA war negativ" – als wäre es ein COVID-Test. Aber PSA ist ein kontinuierlicher Wert, der misst, wie viel prostataspezifisches Antigen im Blut vorhanden ist – in Nanogramm pro Milliliter.
Früher galt unter 3 ng/ml als „normal", aber wir wissen heute, dass es ein Risiko-Kontinuum gibt, auch bei niedrigeren Werten. Ein PSA-Wert über 3 sollte immer wiederholt werden. Ursachen können gutartig sein – wie eine Prostatavergrößerung oder eine Entzündung. Wenn sich keine harmlose Ursache findet, folgen idealerweise ein multiparametrisches MRT – nicht gleich eine Biopsie.
Antwort:
Das stimmt so nicht. PSA ist sehr gut darin, aggressive und klinisch relevante Prostatakarzinome zu identifizieren – also jene, die Symptome machen oder lebensbedrohlich werden könnten. Ein niedriger PSA-Wert bedeutet ein sehr geringes Risiko für solch eine Erkrankung. Ein erhöhter Wert allein beweist nichts, aber er ist ein Warnsignal, dem man nachgehen sollte.
Antwort:
Nein, das ist er nicht. Es gibt klare Belege, dass eine strukturierte PSA-Früherkennung die Sterblichkeit durch Prostatakrebs senkt. Die Diskussion dreht sich nur darum, ob der Nutzen mögliche Risiken wie Überdiagnosen überwiegt – und hier haben wir durch neue Strategien große Fortschritte gemacht.
Antwort:
Das war früher ein reales Problem. Aber heute arbeiten wir mit Konzepten wie der aktiven Überwachung für wenig aggressive Tumoren. Damit vermeiden wir unnötige Operationen oder Bestrahlungen. Der PSA-Test ist nur gefährlich, wenn man falsch mit dem Ergebnis umgeht – nicht, wenn man ihn intelligent einsetzt.
Antwort:
Diese Zahl ist irreführend. Sie stammt aus einer Fehlinterpretation einer großen Studie. Seriöse Analysen – etwa im New England Journal of Medicine – zeigen, dass wir etwa 10 von 1.000 Männern durch PSA-Screening das Leben retten können. Das ist ein sehr relevanter Benefit.
Antwort:
Dieses Modell der "geteilten Entscheidung" klingt gut, führt aber in der Praxis zu Ungleichheit. Besser gebildete und wohlhabendere Männer fragen eher danach. Männer in benachteiligten Bevölkerungsgruppen werden oft übersehen. Wir brauchen ein gerechtes, organisiertes Screening-Konzept.
Antwort:
Nein – wenn wir uns an klare Richtlinien halten. Wenn wir PSA-Tests auf Männer im Alter von etwa 45 bis 70 Jahren beschränken, können wir die Zahl der Tests sogar reduzieren. Die meisten Männer brauchen nur zwei bis drei Tests in ihrem Leben – zielgerichtet und effizient.
Antwort:
Viele verlassen sich auf die sogenannte „PSA- Geschwindigkeit" – also die Veränderung über die Zeit. Studien zeigen aber: Diese Dynamik ist kein verlässlicher Indikator. Ein stabiler Wert kann trotzdem mit einem relevanten Risiko verbunden sein, wenn der Ausgangswert erhöht ist. Man muss das gesamte klinische Bild betrachten.
Antwort:
Das stimmt nicht pauschal. Ein Baseline-PSA zwischen 45 und 49 Jahren hilft, Männer mit hohem Risiko früh zu erkennen. Gerade bei familiärer Vorbelastung oder afrikanischer Herkunft ist das entscheidend. Frühzeitige Tests können Leben retten – durch individuell angepasste Überwachung.
Antwort:
PSA ist ein wertvoller Einstieg, aber nie die alleinige Entscheidungsgrundlage. Bei erhöhtem Wert braucht es eine Wiederholung sowie zusätzliche, nicht-invasive Verfahren wie multiparametrisches MRT. So vermeiden wir unnötige Biopsien und fokussieren auf Tumoren, die wirklich gefährlich sind.
Antwort:
PSA ist weder überflüssig noch gefährlich – sondern ein sehr nützliches Werkzeug, wenn man ihn klug, individuell und mit modernen Methoden kombiniert einsetzt. Wir sollten endlich mit den Mythen aufräumen und evidenzbasiert handeln.